Hexe Claire
 
 

Merit - gute Taten

Teach your people about merit! Meine mongolische Lehrerin war wie immer klar und direkt. Bringt euren Leuten etwas über gute Taten bei. So lässt sich das Wort „merit“ stimmig umschreiben.

In der buddhistischen Tradition wird es oft als „Verdienst“ übersetzt, aber das hört sich für unsere Ohren eher nach Gehaltsabrechnung an. Außerdem ist die Idee dahinter älter als der Buddhismus. Sie ist ein Teil der universellen Lebensgesetze, die überall gelten.


Merit bedeutet nicht nur: Was du nicht willst, das man dir tut, das tu auch keinem anderen. Merit geht darüber hinaus ins Plus und hat etwas von: Geteilte Freude ist doppelte Freude.

Dass wir in unserer Kultur viele Sprichwörter haben, die in dieselbe Richtung weisen, zeigt, dass es einfach ein menschliches Thema ist, unabhängig von der Region, in der wir uns befinden.


Da wäre zum Beispiel auch: Wie man in den Wald hineinruft, so schallt es wieder hinaus. Man kann das Thema Merit nicht ohne das Thema Karma verstehen und das wird hierzulande oft missverstanden. Einige Leute reden z.B. von ihrem Karma, als würden sie in einem abgeschlossenen Goldfischglas leben.

Andere betrachten es mit einer toxische Selbstoptimierungs-Idee im Hinterkopf, nach dem Motto: Wenn jemandem etwas Schlechtes widerfährt, selbst dran Schuld, Hauptsache mir gehts gut. Die Idee vom Ellenbogen-Karma ist natürlich sehr kurzsichtig und mit der Realität nicht in Einklang zu bringen. Karma ist keine elitäre Idee. Karma ist Ursache und Wirkung.


Es stimmt schon, dass jede:r eigenes Karma hat. Dazu kommt obendrauf aber noch so einiges. Da wäre das Karma des Ortes, an dem wir leben. Da ist Familienkarma und geschichtliches Karma, um nur zwei weitere Ebenen zu nennen. Ich sehe beim Kartenlegen manchmal immer noch Ereignisse aus dem 2. Weltkrieg auftauchen, die bis heute die Nachfahren belasten. Wir sind die Verlängerung unserer Vorfahren, sie leben in gewisser Weise in uns.

Diese Dinge sind kompliziert wie ein dreidimensionales Spinnennetz, das die Erde umspannt und weit in den Kosmos hineinreicht. Deshalb gibt es keine einfachen Lösungen. In der Gebrauchsesoterik geht es oft nach dem Motto: Kaufe das hier und du hast keine Sorgen mehr. Gebrauchsesoterik ist übrigens kein westliches Phänomen, das gibts auf die ein oder andere Art überall. Aber wir wollen ja ein bißchen tiefer schauen.


Im schamanischen Verständnis heilt man Probleme, die karmische Ursachen haben, mit Merit, also mit guten Taten. Man kann dabei nur so viel schaffen, wie eben möglich ist. Wir erinnern uns: Ursache und Wirkung. Wenn die Ursache größer ist als die positive Einwirkung, sind nur Teilerfolge möglich. Es gibt nicht immer das große Happy End. Diese Dinge sind sehr realistisch, aber was man bereinigt hat, das ist geschafft, immerhin. Und wenn es einem möglich ist Gutes zu verstärken und ein Polster aufzubauen, umso besser.


Was kommt als gute Taten infrage? Mitgefühl, Geld spenden, sich engagieren, anderen helfen? Das sind gute Ideen. Merit kommt aber auch auf subtilen Ebenen zustande. Meditation und geistige Innenschau gelten als Merit, weil man sich damit innerlich aufräumt. Aufgeräumte Menschen stiften automatisch weniger Schaden in ihrer Umgebung, weil sie ausgeglichener und weitsichtiger handeln. Merit kommt also nicht nur durch Gutes-tun, sondern auch durch Schadendes-unterlassen zustande.

Es geht um Balance. Das bedeutet auch, dass man nicht das letzte Hemd geben oder sich bis zur Erschöpfung aufopfern soll. Das wäre dann wieder ein Ungleichgewicht sich selbst gegenüber (ja, man selbst zählt auch mit). Manchmal ist innehalten und nicht sofort reagieren das Beste, was man tun kann.

Wir denken bei Verbesserungen automatisch an Aktivitäten, wo oft genug Stille und Innenschau die Heilmittel wären. Observe!, diese Aufforderung fiel immer und immer wieder: Beobachte! Genau hinschauen, beobachten, innehalten, betrachten. Wie auch immer du es nennst, das ist die Basis jeder echten Weiterentwicklung. Das Tun (oder Lassen) im Anschluss ist dann nur noch die Konsequenz.