Hexe Claire
 
 

Klischees  &  Wirklichkeit

Manchmal staunt man, wie hartnäckig sich bestimmte Vorstellungen über das Kartenlegen und spirituelle Arbeit allgemein halten. Das hat sicher auch etwas damit zu tun, wie spirituelle Leute in Filmen und auf Social Media dargestellt werden. Oder wie sie sich in vorauseilendem Gehorsam selbst inszenieren, weil sie annehmen, dass man authentisch keinen Erfolg hätte. Dass sie so, wie sie wirklich sind, nicht ausreichen.

Das erinnert mich an meine Anfänge. Wohlmeinende Kolleginnen haben nie mit Hinweisen gespart, dass ich mich anders geben müsste, geheimnisvoller, mystischer… Eine Hexe in Jeans und T-Shirt? So wirst du es nicht weit bringen.

Überraschung: Ich bin immer noch da! 😁 Wenn Leute für ihre persönlichen Anliegen Rat und Unterstützung suchen, spielen Äußerlichkeiten nicht die große Rolle. Den Leuten ist wichtig, ob du vertrauenswürdig bist, dein Handwerk verstehst und Einfühlungsvermögen mitbringst. Es geht nicht um deine Optik. Es geht darum, dass sie gesehen werden.

In Film und Fernsehen mag eine dramatische Wahrsagerin was hermachen. Im echten Leben zählen innere Werte. Früher war Kartenlegen am Küchentisch gang und gäbe. Ich finde es gut, dass wir uns in dieser Hinsicht professionalisiert haben, aber Schauspielerei schießt übers Ziel hinaus.



Das ist auch mein Tipp für alle, die beruflich im spirituellen Bereich anfangen (wobei es auch in anderen Lebensbereichen gilt):

Sei du selbst. Die Leute können riechen, ob du authentisch bist und das entscheidet darüber, ob sie dir ihr Vertrauen schenken. Sie wollen wissen, wen sie vor sich haben und womit sie rechnen können.

Ich rede hier nicht von schnellen Hypes und den dazugehörigen Leuten, die nach fünf, sechs Jahren wieder weg sind. Mir geht es um diejenigen, die diesen Weg langfristig gehen wollen.

Wenn das wirklich deine Berufung ist und du es ein Leben lang machen möchtest, ist es egal, ob du als pastellfarbene Boho-Elfe oder im Holzfällerhemd um die Ecke kommst. Es kommt auf deine Arbeit an. Schreibt eine Frau, die in Jeans und T-Shirt vor dem Rechner sitzt. Also: Lass dich nicht verbiegen!



Die (meisten) spirituellen BeraterInnen drängen sich nicht auf. Wir gehen nicht auf wildfremde Leute zu und raunen ihnen geheimnisvolle Prophezeiungen entgegen. Das ist eine Masche, die von Betrügern benutzt wird, welche dann schnell von Flüchen und ähnlichem reden, um die Leute zu verunsichern und zu “Folgekäufen“ zu bewegen.

Ausnahmen bestätigen hier die Regel. Es gibt vereinzelt KollegInnen, die nicht unterwegs sein können, ohne dass hinterher das ganze Bahn-Abteil weiß, dass sie Kartenleger sind und den Leuten - ob sie es wollten oder nicht - allerlei persönliche Dinge erzählt haben.

Ich finde so etwas eitel und teilweise auch übergriffig. Es gilt wie im sonstigen Leben auch: Ungefragte Ratschläge kommen selten gut an.



Nicht jede Beraterin kann oder macht dasselbe. Ich werde öfter mal nach Handlesen, Kaffeesatzlesen oder heilender Energiearbeit gefragt. Das sind nicht meine Gebiete, bei mir gibt es Kartenlegen und magische Beratung.

Das ist wie bei Handwerkern. Alle Handwerker wissen grundsätzlich, wie es auf dem Bau läuft. Aber ein Maler ist kein Fliesenleger und der Klempner macht etwas anderes als ein Dachdecker. Auch wenn sie alle an einem Haus beteiligt sind, sind es unterschiedliche Professionen. Das lässt sich 1:1 auf den spirituellen Bereich übertragen.



Wir sind nicht ständig im Standby. Es ist ein Beruf und er ist anstrengend. Wir scannen nicht die ganze Zeit unsere Umgebung. Die meisten von uns haben Jahre harter Arbeit gebraucht, um eine gute Balance zwischen spiritueller Offenheit und gesunden Grenzen zu finden. Und die geben wir so schnell nicht wieder her.

Ein ähnliches Thema: Wir lesen auch keine Gedanken. Ich habe manchmal die Befürchtung gehört, dass ich Gedanken lesen kann oder anderweitig mit einem spirituellem Röntgenblick durchs Leben laufe. Mein Mann würde an dieser Stelle widersprechen, ich habe ihm einige Überraschungen verdorben, weil ich sie erraten habe. Wir sind aber auch seit 20 Jahren zusammen, ich glaube nach so langer Zeit kann das jede Frau.

Aber Spaß beiseite: Wie erwähnt ist diese Form der Arbeit anstrengend. Ich mache das bewusst in Beratungssituationen. Im Alltag merke ich - wie viele andere auch - natürlich oft Untertöne. Wenn z.B. jemand etwas sagt und man spürt: Da steckt noch viel mehr dahinter.

Ich bin eine gute Zuhörerin. Wenn jemand mehr dazu sagen will, wird er es schon tun. Wenn nicht, ist dafür gerade nicht der richtige Zeitpunkt. Man ist nicht gleich indiskret, nur weil man feinen Antennen hat. Ich sage manchmal scherzhaft: Ich bin froh über alles, was ich nicht mitkriegen muss. Da scanne ich nicht noch ständig meine Umwelt.



Die meisten spirituellen Beraterinnen und Berater sind keine lauten Selbstdarsteller. Ich meine damit Menschen, die diese Arbeit wirklich machen. Nur auf sozialen Medien darüber zu reden, zählt in dem Fall nicht. Das kann informativ sein, keine Frage, aber es ist ein Unterschied, ob man über etwas redet oder sich die Finger schmutzig macht und es jeden Tag arbeitet.

Wir sind feinfühlige Menschen, die von Natur aus mehr wahrnehmen, als andere. Damit liegt auch schon auf der Hand, warum wir nebenher gar keine große Show machen können: Das ist anstrengend. Wir brauchen ausreichend Zeit, um unsere Batterien wieder aufzuladen. In meinem Umfeld wundert sich niemand, wenn ich sage: Ich brauche mal einen Moment allein. Mein Alltag besteht aus mehr Informationen, die zu verarbeiten sind und das benötigt Zeit und Raum.

Ich bin deshalb weder zurückgezogen, noch ungesellig. Das wäre dann auch wieder so ein Klischee: die mysteriöse Geheimnisvolle… Nix da, ich lache gern und stehe als Selbständige und Familienmensch mitten im Leben.

Manche sind dann fast ein bißchen enttäuscht. Sie suchen Lametta und finden ganz normale Menschen, die einfach nur spirituelle Begabungen haben.
Was dabei gern vergessen wird: Der liebe Gott hat niemandem alles gegeben, um dieses alte Sprichwort zu bemühen. Manche stellen spirituelle BeraterInnen auf ein Podest und denken es wären Übermenschen. Das kann nur mit Enttäuschungen enden.

Wir sind alle bloß Menschen. Wir haben Talente und Sachen, die uns nicht so gut liegen. Stell mich in einen vollen Supermarkt und lass mich ohne Einkaufszettel fünf Sachen einkaufen. Dann wird schnell klar, dass so eine feinfühlige und vielschichtige Wahrnehmung der Welt nicht in allen Situationen hilfreich ist. Manchmal wäre weniger mehr. 😉

Die Leute sehen oft nur die Aspekte, die sie selbst gerne hätten. Aber man bekommt das ganze Paket, inklusive Nebenwirkungen - wie überall im Leben.